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Wie Kinder mit suchtkranken Eltern leben und ihre Familie stabilisieren

Gute Therapie und Sozialarbeit für Suchtkranke beziehen immer auch die Familien aktiv mit ein. Wie kann es gelingen? Peter Schay und KollegInnen bieten in ihrem aktuellen Reader "Durchgerutscht: Kinder und Jugendliche zwischen den Hilfesystemen!" Analysen und Lösungsansätze zur Sozialarbeit in suchtbelasteten Familien.

 

In Deutschland leben ca. 3,25 Millionen Kinder bzw. Jugendliche unter 18 Jahren bei suchtbelasteten Eltern; etwa 60.000 dieser Eltern sind drogenabhängig und 2,65 Millionen alkoholabhängig. Peter Schay sieht für diese Kinder "ein erhöhtes physisches und psychisches Risiko infolge von Vernachlässigung, Beziehungsdiskontinuität, Weitergabe von Traumata und erhöhter Wahrscheinlichkeit, später selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln." Mehr als ein Drittel der suchtkranken Eltern stammt selbst aus suchtbelasteten Familien. Allerdings: "Suchtbelastete Eltern können wie ´normale´ Eltern ein günstiges oder ungünstiges Erziehungsverhalten zeigen."

Dr. Antje Niedersteberg skizziert in ihrem Beitrag eine Typologie von Kindern, deren Eltern substanzabhängig sind:

- "Helden" verhalten sich diszipliniert und frühreif; Anerkennung und Aufwertung sind die Folge

- "Sündenböcke" agieren sich aus, ziehen kritische Aufmerksamkeit auf sich und erfahren oft große Zuwendung

- "Verlorene Kinder" ziehen sich eher zurück, leben in einer ´Traumwelt´, schützen sich vor unkontrollierten Reaktionen der Eltern

- "Clowns" glänzen durch (aufgesetzte) Lustigkeit und machen sich beliebt

Alle vier Rollenmodelle - oft wechselnd oder in Mischform - können der Entlastung und Stabilisierung des Einzelnen und der Familie dienen, aber gleichzeitig auch das Kind überfordern. Die Psychiatrin nennt daher die die hier spezifischen therapeutischen Strategieen,  

Als Gegenbeispiel berichtet sie über einen sucht- und psychosekranken Sohn, der trotz seiner 30 Lebensjahre noch in seinem Zimmer im Haus der gesunden Mutter lebte. Er "war für nichts verantwortlich. Er musste weder pünktlich aufstehen noch sich im Haushalt beteiligen. Hatte er nicht genug Geld für Drogen, ging er zur Großmutter, die er teilweise auch unter Druck setzte. Aufgrund der Psychose zeigte er dann häufig angstvolles Verhalten, fühlte sich verfolgt und bedroht, sodass die Großmutter Mitleid hatte und ihrem Enkel immer wieder mit Geld und Essen half. Mit Zunahme des Konsums und der psychotischen Symptomatik kam es zu bedrohlicheren und unaushaltbaren Situationen. Die Großmutter, zunehmend pflegebedürftig, fürchtete sich immer mehr, wusste sich nicht zu helfen und zu schützen. Notfalleinsätze wurden veranlasst, Polizei wurde gerufen. Erst als die Mutter des Patienten sich dazu entschied, ihre eigene Mutter in eine Pflegeeinrichtung zu bringen, gelang es ihr auch, ihrem Sohn Grenzen zu setzen und Konsequenzen aufzuzeigen." Nach einer weiteren kritischen Entwicklung schaltete die Mutter den sozialpsychiatrischen Dienst ein; "der Sohn wurde dann per Betreuungsbeschluss eingewiesen und untergebracht und hatte die ´Chance´, neben einer Entzugsbehandlung auch auf eine antipsychotische Medikation eingestellt zu werden... Aktuell lebt der Sohn in einem Wohnheim und wartet auf den Umzug in eine spezielle WG ..."

In den meisten Fällen sind institutionsübergreifende Maßnahmen und Finanzierungen erforderlich, jedoch nach den Erfahrungen der AutorInnen oft nur mit besonderem bürokratischen Aufwand oder überhaupt nicht organisierbar.


Peter Schay, Roland Helsper, Niklas Helsper (Hrsg.) Durchgerutscht: Kinder und Jugendliche zwischen den Hilfesystemen!
Analysen und Lösungsansätze zur Sozialarbeit in suchtbelasteten Familien.


Pabst, 320 Seiten, Paperback ISBN 978-3-95853-701-9, eBook ISBN 978-3-95853-702-6

 

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